02.2017

Antikorruption: Keine Vorteile für medizinische Empfehlungen

Laut dem neuen Gesetz zur Bekämpfung der Korruption im Gesundheitswesen dürfen Ärzte und Angehörige anderer Heil­berufe keine Vorteile an nehmen, wenn sie Dienstleistungen oder Medikamente empfehlen. Was bei einer Zusammenarbeit mit Berufskollegen und Pharmaunternehmen jetzt zu beachten ist, findet sich im folgenden Artikel erklärt.

Ein modernes Gesundheitswesen ist auf die enge Kooperation seiner Akteure angewiesen. Durch ein gut ab­gestimmtes Zusammenspiel von Ärz­ten, Institutionen sowie Anbietern von Arzneimitteln und Medizinprodukten ist eine bestmögliche und ressourcen­schonende Behandlung der Patienten gewährleistet. Um dies sicherzustellen, sorgt der Gesetzgeber für Rahmen­bedingungen, die eine unlautere Be­vorzugung bestimmter Anbieter aus­schließen sollen.

Für niedergelassene Ärzte existierte ein strafrechtlicher Rahmen bisher nicht. Im Jahr 2012 stellte der Bundesgerichtshof fest, dass niedergelassene Ärzte we­der Amtsträger noch Beauftragte der Krankenversicherungen sind und somit nicht Täter im Sinne des § 299 Straf­gesetzbuch (StGB) (Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Ver­kehr) sein können. Diese Gesetzeslücke wurde nun geschlossen. Am 14. April 2016 hat der Bundestag eine Ergän­zung des Strafgesetzbuches um die Paragrafen 299a, 299b und 300 StGB, das sogenannte Antikorruptionsgesetz, beschlossen.

Angehörige fast sämtlicher Heilberufe betroffen

Das neue Gesetz sanktioniert bestimmte Vereinbarungen unter Angehörigen der Heilberufe mit Strafe. Voraussetzung für eine Strafverfolgung ist, dass solche Vereinbarungen mit dem Ziel erfolgen, einen Leistungserbringer bei der Ver­ordnung oder beim Bezug bestimmter Arznei-, Heil- oder Hilfsmittel oder bestimmter Medizinprodukte unlauter zu bevorzugen. Gleiches gilt bei der Zuführung von Patienten oder Untersu­chungsmaterial.

Als Täter kommen sämtliche medizi­nische Leistungserbringer in Betracht, die für ihre Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung benöti­gen. Dazu zählen neben niedergelas­senen und Belegärzten etwa auch Psychotherapeuten, Physiotherapeu­ten, Ergotherapeuten und Logopä­den. Apotheker können nur Täter im Sinne des § 299b StGB, nicht aber des § 299a StGB sein.

Wer für die Berufsausübung bzw. das Führen einer Berufsbezeichnung keiner staatlichen Ausbildung bedarf (z. B. Heilpraktiker), kann ebenfalls nur Täter im Sinne des § 299b StGB sein.

Zulässige Kooperationen

Die vom Gesetzgeber auch bisher schon zugelassenen Kooperationsformen blei­ben von dem neuen Antikorruptions­gesetz unangetastet So sind auch nach dessen Inkrafttreten die Gründung und der Betrieb einer Praxisgemeinschaft, einer Berufsausübungsgemeinschaft, einer Teilberufsausübungsgemeinschaft sowie die sonstigen anerkannten For­men der Kooperation unkritisch. Gleiches gilt für Kooperationen zwi­schen ambulanten und stationären Leistungserbringern, wie etwa die am­bulante und stationäre honorarärztliche Tätigkeit eines niedergelassenen Arztes am Krankenhaus, die Konsiliararzttätigkeit sowie die vor- und nachstatio­näre Behandlung durch Niedergelas­sene im Auftrag eines Krankenhauses. Als Faustformel gilt allerdings auch bei diesen Kooperationsformen: Ist die medizinische Entscheidungsfreiheit auf­grund monetärer Motive beeinträchtigt oder gar unmöglich, ist das Vorhaben illegal.

Fallbeispiele für unzulässige Kooperationen

Wann bei einer Kooperation eine un­zulässige Abhängigkeit vorliegt, ist insbesondere für den juristischen Laien nicht immer auf Anhieb zu erkennen. Die nachfolgenden Fallbeispiele sollen verdeutlichen, welche Gestaltungen bereits heute berufs- und vertragsarzt­rechtlich unzulässig sind und mit In­krafttreten des Antikorruptionsgeset­zes sogar unter Strafe gestellt werden:

Beispiel 1: Facharzt A ist Vermieter eines Ärztehauses mit eigener Praxis im Erd­geschoss. Facharzt A schließt mit Hausarzt B einen Mietvertrag über Praxis­räumlichkeiten in besagtem Ärztehaus. Hausarzt B wird für die Anmietung eine Miete von 5 Euro pro Quadratmeter zugesagt, der ortsübliche Mietzins liegt jedoch bei 12 Euro pro Quadratmeter. Die Vermietung der Räumlichkeiten durch Facharzt A an Hausarzt B zu diesem günstigen Mietpreis erfolgt in der Erwartung seitens Facharzt A, dass Hausarzt B seine Patienten dazu motiviert, fachärztliche Leistungen nur bei Facharzt A in Anspruch zu nehmen. Die vorgenannte Abstimmung erfolgt vorliegend im Rahmen einer Unrechts­vereinbarung zwischen Facharzt A und Hausarzt B, welche Hausarzt B in sei­ner medizinischen Entscheidungsfrei­heit unzulässig beeinflusst. Im vor­liegenden Fall macht sich Facharzt A gemäß § 299b StGB sowie Hausarzt B gemäß § 299a StGB strafbar.

Beispiel 2: Hausarzt A überweist seine Patienten zielgerichtet an Facharzt B und erhält hierfür von Facharzt B je zugewiesenem Patienten eine „Kopf­pauschale" in Höhe von 100 Euro. Im vorliegenden Fall ist wiederum die medizinische Entscheidungsfreiheit von Hausarzt A durch die mit Facharzt B geschlossene Unrechtsvereinbarung un­zulässig beeinflusst. Facharzt A macht sich gemäß § 299b StGB sowie Haus­arzt B gemäß §299a StGB strafbar. Wohlgemerkt ist es Hausarzt A bereits nach den berufsrechtlichen Vorgaben nicht erlaubt, seinen Patienten einen bestimmten Facharzt zu empfehlen, da dieses Vorgehen gegen das in den Landesberufsordnungen enthaltene „Verweisungsverbot" verstößt.

Beispiel 3: Facharzt A als Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie emp­fiehlt seinen Patienten, das verordnete Hilfsmittel bei der Sanitätshaus GmbH B zu kaufen. Facharzt A ist Mitgesell­schafter der Sanitätshaus GmbH B und nach den gesellschaftsvertraglichen Regelungen in dem Umfang am Ge­winn der Gesellschaft beteiligt, in dem Facharzt A durch seine Zuweisung von Patienten an die Sanitätshaus GmbH B Einnahmen erwirtschaftet. Im vorlie­genden Fall liegt wiederum eine Konstellation vor, in der Facharzt A einen unzulässigen wirtschaftlichen Vorteil für die Zuführung von Patienten und Untersuchungsmaterial erhält, was zu einer Strafbarkeit im Sinne des §299a StGB führt.

Beispiel 4: Ein Mitarbeiter des Phar­maunternehmens A schlagt Hausarzt B vor, dessen anstehendes Praxisjubi­läum durch das Pharmaunternehmen A zu sponsern, welches sämtliche Kosten der Feierlichkeiten übernimmt. Die Zu­sage erfolgt in der Erwartung, dass Hausarzt B bei zukünftigen Verord­nungen schwerpunktmäßig Arzneimit­tel und Medizinprodukte von Pharma­unternehmen A bezieht. Auch hier erfolgt ein unzulässiges Zusammenwir­ken zwischen dem zuständigen Mit­arbeiter von Pharmaunternehmen A und dem Hausarzt B, die Hausarzt B in seiner medizinischen Entscheidungs­freiheit beeinträchtigt. Der zuständige Mitarbeiter von Pharmaunternehmen A macht sich hier nach § 299b StGB, Hausarzt B nach § 299a StGB strafbar.

Korruption ist Offizialdelikt

Für die Einleitung eines Verfahrens be­darf es nach dem Willen des Gesetz­gebers keiner Strafanzeige oder eines Strafantrages seitens eines Geschä­digten. Die neuen Strafnormen stel­len nämlich jeweils ein sogenanntes „Offizialdelikt" dar, welches von den staatlichen Behörden ohne gesonderte Eingabe verfolgt werden kann. Bei Einleitung eines Ermittlungsverfahrens seitens der zuständigen Staatsanwalt­schaft gegen einen verdächtigen Leis­tungserbringer setzt die Staatsanwalt­schaft gemäß den gesetzlichen Vorga­ben automatisch auch die zuständige Ärztekammer und die Kassenärztliche Vereinigung über das eingeleitete Ver­fahren in Kenntnis. Da bei Verstößen gegen das Antikorruptionsgesetz zu­gleich stets ein sogenannter „direkter Berufsbezug" besteht, drohen neben einer strafrechtlichen Sanktionierung zugleich berufsrechtliche Konsequen­zen, die schlimmstenfalls zu einem Entzug der vertragsärztlichen Zulas­sung sowie der ärztlichen Approbation führen können. Strafrechtlich können hohe Geldstrafen oder Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren verhängt werden, in besonders schweren Fällen gemäß §300 StGB sogar Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren.

Fazit

Die Kooperationsmöglichkeiten zwi­schen einzelnen Leistungserbringern sind mannigfaltig und die damit zu­sammenhängenden Fragestellungen zu­meist für den juristischen Laien kaum durchschaubar. Daher bietet es sich an, vor Gründung einer beabsichtigten Zusammenarbeit einen fachkundigen Rechtsberater heranzuziehen. So rea­lisieren Betroffene Kooperationen, die mit dem neuen Antikorruptionsgesetz nicht in Konflikt geraten.

Quelle: Oralchirurgie Journal

Korrespondenz mit:

Portrait & Vita
Oliver Weger
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht

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