09.2015

Bei Änderungen formale Anforderungen beachten

Was viele Heilmittelerbringer nicht wissen: Manche Praxis­mietverträge haben Formfehler, die ggf. zur Unwirksamkeit der Vereinbarungen über die Mietlaufzeit führen. Was bei Neuab­schluss und Änderung von Mietverträgen unbedingt zu beach­ten ist.

Praxisinhaber wiegen sich bei ihren Mietverträgen oft in trü­gerischer Sicherheit. Viele Praxismietverträge und Ergänzungs­vereinbarungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Schon kleine Formfehler können die Rechtskraft des gesamten Dokuments gefährden. Heilmittelerbringer sollten ihre Miet­verträge frühzeitig auf den Prüfstand stellen, um unliebsame Überraschungen zu vermeiden.

Formvorschriften genau beachten

Von elementarer Bedeutung ist das so genannte Schriftform­gebot gemäß § 550 BGB. Zur Einhaltung der Schriftform ist erforderlich, dass der Praxismietvertrag die wesentlichen Ver­tragsbestandteile enthält. Dazu zählen die Vertragspartner, der Mietgegenstand, der Mietpreis, die Mietdauer sowie die Ne­benkosten.

Einzelne Blätter, darunter der Vertragstext und mögliche An­lagen, dürfen nicht allein durch eine Büroklammer zusammen­gehalten werden. Sie müssen durch eine Kordel oder Heftung fest miteinander verbunden sein. Eine Trennung der Dokumen­te darf nicht ohne Weiteres, d.h. nur unter teilweiser Beschädi­gung, möglich sein.

Sind wesentliche Vertragsbestandteile in zwei separaten, nicht miteinander verbundenen Urkunden enthalten, so müs­sen beide Urkunden aufeinander Bezug nehmen. Für einen ob­jektiven Betrachter muss zweifelsfrei erkennbar sein, dass beide Urkunden eine Einheit bilden.

Die Vertragsparteien müssen den Praxismietvertrag als ein­heitliche Urkunde eigenhändig mit Namensunterschrift unter­zeichnen.

Soweit die Unterzeichnung auf Seiten eines Vertragspart­ners durch einen Vertreter erfolgt, sollte die Vertretung durch den Zusatz „i. V." kenntlich gemacht werden. Der andere Ver­tragspartner sollte sich zuvor durch Vorlage einer Vollmacht Ge­wissheit darüber verschaffen, dass der Unterzeichner tatsäch­lich als Vertreter des Vertragspartners auftreten kann.

Darüber hinaus bietet es sich aus Beweisgründen an, die ein­zelnen Seiten des Vertrages und die Anlagen zum Mietvertrag durch alle Vertragsbeteiligten auf jeder Seite mit dem Namens­kürzel, der sog. Paraphe, zu versehen. Dies ermöglicht es den Vertragsbeteiligten, im Streitfälle zu beweisen, was Inhalt des Vertrages geworden ist.

Folgen eines Schriftformverstoßes

Wird die erforderliche Schriftform nicht eingehalten, gilt ein Mietvertrag, wenn er für eine längere Zeit als ein Jahr abge­schlossen wird, als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Die Regelung gilt auch für den Abschluss und die Änderung von Praxismietverträgen.

Dies hat zur Folge, dass etwaige im Praxismietvertrag auf­genommene Mindestlaufzeiten des Mietverhältnisses in einem solchen Fall keine Geltung haben. Ein Mietvertrag über Praxis­räume kann dann von beiden Seiten, d. h. Vermieter und Mieter, bis zum dritten Werktag eines Kalendervierteljahrs zum Ablauf des nächsten Kalendervierteljahrs ordentlich gekündigt wer­den. Es besteht quasi eine sechsmonatige Kündigungsfrist.

Dies ist insbesondere für den Praxismieter gefährlich, der sei­ne Praxisplanung zumeist langfristig ausgelegt hat. Schließlich ist der Standort der Praxis ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor.

Beruft sich der Vermieter im Nachhinein auf den Schrift­formverstoß und kündigt den Mietvertrag ordentlich zum nächstmöglichen Zeitpunkt, so kann dies für den Praxismieter existenzbedrohende Züge annehmen. Denn: ohne Praxisräume keine Praxis,ohne Praxis keine Einnahmen.

Vorsicht bei Änderungen

Das Schriftformgebot gemäß § 550 BGB gilt auch für Ände­rungsvereinbarungen zum Praxismietvertrag.

Entspricht die Änderungsvereinbarung nicht dem Schrift­formgebot, ist grundsätzlich die gesamte, d. h. auch die ur­sprüngliche mietvertraglicheVereinbarung,als auf unbestimm­te Zeit abgeschlossen anzusehen. Die Folge: Der Mietvertrag ist durch die Beteiligten innerhalb der gesetzlichen Frist kündbar, auch wenn der ursprüngliche Mietvertrag formgerecht abge­schlossen wurde. Der Schriftformverstoß in der Änderungsver­einbarung „infiziert" den ursprünglichen Praxismietvertrag.

Soll der ursprüngliche Praxismietvertrag ergänzt werden, so kann dies folgendermaßen erfolgen: Der Hauptmietvertrag wird aufgehoben und mit einer einheitlichen Urkunde ein völlig neuer Mietvertrag abgeschlossen. Dies ist jedoch in der Regel unpraktikabel.

Alternativ kommt eine gesonderte Ergänzungsvereinbarung in Betracht. Sie sollte wie oben beschrieben fest mit dem ur­sprünglichen Mietvertrag verbunden werden.

In den letzten Jahren hat die Rechtsprechung hier jedoch eine gewisse Auflockerung erfahren. Hiernach ist eine feste Ver­bindung zwischen beiden Urkunden nicht erforderlich, wenn die Änderungsvereinbarung alle wesentlichen Bestandteile ei­nes Mietvertrages (Vertragspartner, Mietgegenstand, Mietpreis, Mietdauer sowie Nebenkosten) enthält. Zumindest muss die Ergänzungsvereinbarung auf den ursprünglichen Mietvertrag bzw. vorhergehende Vereinbarungen Bezug nehmen und klar­stellen, dass es bei den bisherigen mietvertraglichen Vereinba­rungen bleibt, soweit diese nicht angepasst wurden.

Richtig nachverhandeln

Oft wünschen sich Heilmittelerbringer nach Abschluss des,Pra­xismietvertrages eine Anpassung des laufenden Mietvertrages, beispielsweise hinsichtlich der Laufzeit des Vertrages.

Hierbei ist zu beachten, dass PraÄmietverträge dem Gewer­bemietrecht unterliegen, welches im Gegensatz zum Wohnraummietvertrag weitgehend ungeregelt und frei vereinbar ist.

Praxismieter werden sich wesentlich seltener auf unwirk­same Regelungen berufen können als Wohnraummieter. Die Durchsetzung von vertraglichen Änderungen erfordert stets die Verhandlung mit dem Vermieter und dessen Zustimmung.

Soweit die gewünschten Änderungen auch für den Vermieter positiv sind, beispielsweise eine Verlängerung der Festmietzeit, haben Praxismieter eine gute Verhandlungsposition. Anders ist dies bei Änderungen, die sich für den Vermieter finanziell nega­tiv auswirken, etwa die finanzielle Beteiligung des Vermieters an geplanten Umbauten des Mieters im Mietbestand. Hier soll­te im Rahmen der Verhandlungen der Mehrwert des Vorhabens für den Vermieter herausgestellt werden.

Wird die Modernisierung von Praxisräumen geplant, der mit Umbauten des Mietobjekts einhergeht, sollte argumentiert werden, dass diese Umbauten zu einer bleibenden Wertsteige­rung des Mietobjektes führen, so dass eine finanzielle Beteili­gung des Vermieters gerechtfertigt ist.

Hat der Praxismieter in der Vergangenheit auf die Geltend­machung von Ansprüchen, etwa dem Recht auf Mietminderung wegen Wassereinbruchs oder Heizungsausfalls verzichtet, hat er in neuen Verhandlungen den Vermieter daran zu erinnern. Häufig lassen sich Vermieter so leichter von einem gewissen Entgegenkommen überzeugen.

Möchte der Praxismieter vor Ablauf der Festmietzeit vorzei­tig ausziehen und liegt kein Grund zur außerordentlichen Kün­digung vor, bieten sich mehrere Möglichkeiten: Mieter können dem Vermietereinen potenziellen Nachmieter präsentierender bereit wäre, den Mietvertrag mit allen Rechten und Pflichten zu übernehmen. Alternativ kann der Praxismieter dem Vermieter für die vorzeitige Beendigung des Praxismietvertrages eine Ab­standszahlung anbieten, die zumindest einen Teil seines Mie­tausfalls kompensiert.

Die Beispiele zeigen, dass auch während eines bestehenden Mietverhältnisses Spielraum für vertragliche Änderungen be­steht. Es kommt immer darauf an, wie man auf den Vermieter zugeht und die vermeintlich widerstreitenden Interessen in Ein­klang bringt. Praxismieter sollten vorab fachlichen Rat einholen, um die Verfragssituation zu klären und die richtige Verhand­lungsstrategie zu erörtern.

Quelle: Unternehmen Praxis

 

Korrespondenz mit:

Portrait & Vita
Oliver Weger
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht

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