03.2017

Keine Steuernachteile bei fehlerhaften Rechnungen

Bislang lehnt die Finanzverwaltung den rückwirkenden Vorsteuerabzug aus fehlerhaften Rechnungen ab. Der Eu­ropäische Gerichtshof vertritt eine andere Position. Wie betroffene Unternehmen profitieren können.

Mönchengladbach // Viele Rechnun­gen bergen für den Empfänger enor­men Sprengstoff. Schon bei kleinen formalen Fehlern können Betriebs­prüfer den sicher geglaubten Vor­steuerabzug streichen. Zwar ist eine Rechnungskorrektur möglich. Doch bislang gewähren Finanzämter den Vorsteuerabzug erst ab dem Zeit­punkt, zu dem eine korngierte Rech­nung vorliegt. Die Folge: Es drohen Nachzahlungen, die sich samt Zin­sen schnell auf hohe Beträge sum­mieren. Die aktuelle Rechtsprechung eröffnet Unternehmen die Möglich­keit eines rückwirkenden Vorsteuer­abzugs, sagt die Wirtschaftskanzlei WWS aus Mönchengladbach. Betrof­fene sollten ihre Rechte kennen und konsequent durchsetzen.

Zwei aktuelle Urteile des Europä­ischen Gerichtshofs (EuGH) schieben der bisherigen Praxis der deutschen Finanzverwaltung bei der Rech­nungskorrektur einen Riegel vor (Az. C-516/14 und C-518/14). Die Richter geben grundsätzlich grünes Licht für einen rückwirkenden Vorsteuerabzug. Sie sind der Ansicht, dass die Rückwir­kung nicht zwingend von einer formal richtigen Rechnung abhängen darf. Auch wenn einzelne Pflichtmerkmale wie eine konkrete Leistungsbeschrei­bung, der genaue Leistungszeitpunkt oder die Steuernumrner des Rech­nungsstellers fehlen, ist der Empfän­ger laut EuGH zum Vorsteuerabzug berechtigt. Voraussetzung ist, dass in dem Jahr, für das der Vorsteuerabzug beantragt wird, die sogenannten „ma­teriellen Anforderungen" erfüllt sind.

Das heißt: Der Rechnungsempfänger ist steuerpflichtiger Unternehmer und hat von einer steuerpflichtigen Firma eine Ware oder Dienstleistung erhalten, die er für sein Unternehmen verwendet. Dies muss er anhand an­derer Dokumente wie etwa Liefer­scheine oder Kontoauszüge belegen können. Zudem ist unabdingbar, dass eine Erstrechnung vorliegt und eine Rechnungskorrektur erfolgt. Die Rich­ter lassen jedoch offen, ob eine feh­lerhafte Erstrechnung bestimmten Mindestanforderungen entsprechen muss.

Der Bundesfinanzhof (BFH) folgt in einem aktuellen Urteil (Az. V R 26/15) dem EuGH. Rechnungsempfänger haben Anspruch auf rückwirkenden Vorsteuerabzug aus korngierten Rech­nungen. Jedoch definieren die BFH-Richter konkrete formale Mindestan­forderungen an eine Erstrechnung. Auf dem Dokument dürfen Leistungs­empfänger, Leistungsbeschreibung, Entgelt und gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer nicht fehlen.

Noch setzt die Finanzverwaltung die neue Rechtsauffassung nicht um. Lehnt das Finanzamt einen rückwir­kenden Vorsteuerabzug aus korri­gierten Rechnungen ab, sollten Un­ternehmen die Möglichkeit eines Einspruchs oder Änderungsantrags mit Verweis auf die EuGH- und BFH-Urteile prüfen. Gute Aussichten ha­ben Firmen, wenn Steuerbescheide noch unter dem Vorbehalt der Nach­prüfung stehen, offengehalten wur­den oder die Einspruchsfristen noch nicht abgelaufen sind. Selbst bei be­standskräftigen Bescheiden muss ein abgelehnter Vorsteuerabzug nicht das letzte Wort sein. Ob auch hier Anspruch auf rückwirkenden Vorsteu­erabzug besteht, ist rechtlich unklar. Betroffene Firmen sollten mit ihren Fachberatern erörtern, welche Handlungsoptionen sich bieten.

Eine Rechnungskorrektur erfolgt immer durch den Rechnungsstel­ler. Empfänger sollten darauf ach­ten, dass fehlerhafte oder fehlende Angaben immer mit einem geson­derten Ergänzungsdokument be­richtigt werden. Es genügt ein ein­faches Schreiben, das sich eindeutig auf die Rechnung bezieht sowie die ursprüngliche Rechnungsnummer und das Rechnungsdatum nennt. Auf gar keinen Fall sollte die ursprüngli­che Rechnung storniert und neu aus­gestellt werden. Schnell ist das Ur­sprungsdokument steuerlich nicht mehr von Belang und das Finanzamt könnte das neue Dokument als Erst­rechnung werten. Ein rückwirkender Vorsteuerabzug wäre in diesem Fall ausgeschlossen. Die Frage, bis wann Unternehmen eine Rechnungsbe­richtigung spätestens vornehmen müssen, hatte der EuGH offen ge­lassen. Der BFH sorgt in seinem ak­tuellen Urteil mit einer steuerzahlerfreundlichen Regelung für Klarheit. Rechnungsempfänger können korrigierte Rechnungsdokumente noch bis zum Abschluss einer mündlichen Verhandlung vorlegen.

Die aktuelle Rechtsprechung hat für Rechnungsempfänger auch eine Kehrseite: Zwar fallen bei einer rück­wirkenden Korrektur keine Nachzah­lungszinsen an. Gleichwohl könnte die Finanzverwaltung laut EuGH Fir­men für den Vorsteuerabzug aus for­mal falschen Rechnungen künftig sanktionieren, etwa in Form einer Geldbuße. Zudem sind Rechnungs­korrekturen für alle Beteiligten stets mit enormem Aufwand verbunden. Unternehmen sollten Vorkehrungen treffen, um Korrekturen von vornher­ein zu vermeiden. Daher ist eine syste­matische Eingangskontrolle von Rech­nungen nach wie vor das A und O.

Quelle: Care konkret

Korrespondenz mit:

Martina Dapper
Steuerberaterin
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