05.2019

Mitarbeiter im Rentenalter weiterbeschäftigen

Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs macht die Weiterbeschäftigung von Arbeitnehmern im Rentenalter für Firmen attraktiver. Welche Möglichkeiten Unternehmen jetzt haben und wie sie arbeitsrechtliche Stolperfallen umgehen.

Der grassierende Fachkräftemangel bereitet deutschen Firmen zunehmend Sorgen. Ne­ben ausgefeilten Rekrutierungsmaßnahmen ziehen viele Maßnahmen in Betracht, die bewährte Fach- und Führungskräfte an das Unternehmen binden sollen. Ungehobene Potenziale bieten sich häufig bei altgedienten Mitarbeitern, die das Rentenalter erreichen. Sie verfügen über wertvolles Fach- und Insiderwissen und führen im Idealfall ihre bisherigen Aufgaben unter neuen Vorzeichen nahtlos fort. Laut aktueller Rechtsprechung können Firmen unter Umständen den ursprünglich vereinbarten Beendigungszeit­punkt hinausschieben, was eine Entscheidung für dieses Mo­dell in vielen Fällen erleichtern dürfte. Personalverantwortli­che sollten die Option jetzt sorgfältig prüfen. Dabei sollten sie die rechtlichen Vorgaben genau im Blick haben. Nur so ist eine Win-win-Situation für alle Beteiligten gewährleistet.

Von Firmenexpansionen über Großprojekte bis hin zu krank­heitsbedingten Ausfällen: Es gibt viele Gründe für einen zu­sätzlichen Personalbedarf. Der Fachkräftemangel erschwert je nach Branche das Schließen von Personallücken erheblich. Dennoch halten sich Vorbehalte gegenüber arbeitswilligen Mitarbeitern jenseits der Regelaltersgrenze hartnäckig. Be­denken, dass eine Befristung solcher Arbeitsverträge rechtlich problematisch ist, tritt ein Urteil des Europäischen Gerichts­hofs entgegen (Az. C-46/17). Demgemäß können Firmen unter bestimmten Voraussetzungen das Ende des Arbeits­verhältnisses bei Erreichen des gesetzlichen Rentenalters auf einen späteren Zeitpunkt hinausschieben. Bei Bedarf kann dies sogar mehrfach erfolgen. Mit dem Urteil bestätigen die EU-Richter, dass ein entsprechender Passus des sechsten Buchs Sozialgesetzbuch keine Altersdiskriminierung darstellt. Eine befristete Verlängerung der Anstellung von Mitarbeitern im Rentenalter kann somit rechtens sein.

Eine Fortsetzung der Zusammenarbeit unterliegt strengen Vorgaben. Zunächst muss der ursprüngliche Arbeitsvertrag vor Eintritt der Regelaltersgrenze wirksam befristet sein. Denn das Erreichen des Rentenalters bedeutet nicht auto­matisch das Ende eines Arbeitsverhältnisses. Eine Befristung liegt nur dann vor, wenn eine schriftliche Absprache existiert, dass mit Erreichen der Regelaltersgrenze Schluss ist. Wird die Zusammenarbeit über diesen Zeitpunkt trotz Befristungsab­rede ohne Zusatzvereinbarung hinaus fortgeführt, entsteht automatisch per Gesetz ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Eine Kündigung ist dann nur nach den allgemeinen arbeits­rechtlichen Grundsätzen möglich. Wird eine Befristung erst nach Erreichen des Rentenalters und damit nach Ablauf des ursprünglich im Vertrag vereinbarten Befris­tungsendes abgeschlossen, ist sie gemäß § 41 Satz 3 SGB VI unwirksam. Firmen sollten daher alle Arbeitsverträge, Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge daraufhin überprüfen, ob eine wirksame Befristungsklausel besteht und in Zweifelsfällen fachlichen Rat einholen.

Was sollten Firmen bei der Gestaltung der Hi­nausschiebungsvereinbarung beachten? Die Vertragsparteien müssen sie noch während des laufenden Arbeitsverhältnisses abschlie­ßen. Doch Vorsicht: Die Arbeitsbedingungen sollten vom bisherigen Arbeitsvertrag nicht abweichen. Regelungen über die Hinausschiebung hinaus wie etwa Arbeitszeit- oder Ge­haltsanpassungen sind kontraproduktiv. Sie können die Wirk­samkeit des gesamten Kontrakts in Gefahr bringen. Die Ab­machung muss schriftlich erfolgen und von beiden Parteien noch vor Befristungsende unterschrieben sein. Nicht zuletzt müssen Personalverantwortliche die Mitbestimmungsrechte beachten, sofern ein Betriebsrat existiert. Anpassungen der Arbeitsvertragsbedingungen können Unternehmen dennoch vereinbaren, und zwar im Rahmen eines gesonderten Ände­rungsvertrags, der nicht zeitgleich mit der Hinausschiebens­vereinbarung gezeichnet werden sollte. Auch hier ist immer die Schriftform zu empfehlen.

Quelle: Dentalspiegel

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Portrait & Vita
Rebekka De Conno
Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht
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