11.2016
Antikorruption: Keine Vorteile für medizinische Empfehlungen
Laut dem in diesem Jahr verabschiedeten Gesetz zur Bekämpfung der Korruption im Gesundheitswesen dürfen künftig Arzte und Angehörige anderer Heilberufe keine Vorteile annehmen, wenn sie Dienstleistungen oder Medikamente empfehlen. Was bei einer Zusammenarbeit mit Berufskollegen und Pharmaunternehmen jetzt zu beachten ist, findet sich auf den nächsten Seiten erklärt.
Ein modernes Gesundheitswesen ist auf die enge Kooperation seiner Akteure angewiesen. Durch ein gut abgestimmtes Zusammenspiel von Ärzten, Institutionen sowie Anbietern von Arzneimittein und Medizinprodukten ist eine bestmögliche und ressourcenschonende Behandlung der Patienten gewährleistet. Um dies sicherzustellen, sorgt der Gesetzgeber für Rahmenbedingungen, die eine unlautere Bevorzugung bestimmter Anbieter ausschließen sollen.
Für niedergelassene Arzte existierte ein strafrechtlicher Rahmen bisher nicht. Im Jahr 2012 stellte der Bundesgerichtshof fest, dass niedergelassene Arzte weder Amtsträger noch Beauftragte der Krankenversicherungen sind und somit nicht Täter im Sinne des § 299 Strafgesetzbuch (StGB) (Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr) sein können. Diese Gesetzeslücke wurde jetzt geschlossen. Am 14.04.2016 hat der Bundestag eine Ergänzung des Strafgesetzbuches um die Paragrafen 299a, 299b und 300 StGB, das sogenannte Antikorruptionsgesetz, beschlossen.
Angehörige fast sämtlicher Heilberufe betroffen
Das neue Gesetz sanktioniert zukünftig bestimmte Vereinbarungen unter Angehörigen der Heilberufe mit Strafe. Voraussetzung für eine Strafverfolgung ist, dass solche Vereinbarungen mit dem Ziel erfolgen, einen Leistungserbringer bei der Verordnung oder beim Bezug bestimmter Arznei-, Heil- oder Hilfsmittel oder bestimmter Medizinprodukte unlauter zu bevorzugen. Gleiches gilt bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial.
Als Täter kommen sämtliche medizinische Leistungserbringer in Betracht, die für ihre Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung benötigen. Dazu zählen neben niedergelassenen und Belegärzten etwa auch Psychotherapeuten, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten und Logopäden. Apotheker können nur Täter im Sinne des § 299b StGB, nicht aber des § 299a StGB sein. Wer für die Berufsausübung bzw. das Führen einer Berufsbezeichnung keiner staatlichen Ausbildung bedarf (z.B. Heilpraktiker) kann ebenfalls nur Täter im Sinne des § 299b StGB sein.
Zulässige Kooperationen
Die vom Gesetzgeber auch bisher schon zugelassenen Kooperationsformen bleiben von dem neuen Antikorruptionsgeserz unangetastet. So sind auch nach dessen Inkrafttreten die Gründung und der Betrieb einer Praxisgemeinschaft, einer Berufsausübungsgemeinschaft, einer Teilberufsausübungsgemeinschaft sowie die sonstigen anerkannten Formen der Kooperation unkritisch. Gleiches gilt für Kooperationen zwischen ambulanten und stationären Leisrungserbringern wie etwa die ambulante und stationäre honorarärztliche Tätigkeit eines niedergelassenen Arztes am Krankenhaus, die Konsiliararzttätigkeit sowie die vor- und nachstationäre Behandlung durch Niedergelassene im Auftrag eines Krankenhauses. Als Faustformel gilt allerdings auch bei diesen Kooperationsformen: Ist die medizinische Entscheidungsfreiheit aufgrund monetärer Motive beeinträchtigt oder gar unmöglich, ist das Vorhaben illegal.
Fallbeispiele für unzulässige Kooperationen
Wann bei einer Kooperation eine unzulässige Abhängigkeit vorliegt, ist insbesondere für den juristischen Laien nicht immer auf Anhieb zu erkennen. Die nachfolgenden Fallbeispiele sollen verdeutlichen, welche Gestaltungen bereits heute berufs- und vertragsarztrechtlich unzulässig sind und mit Inkrafttreten des Antikorruptionsgesetzes zukünftig sogar unter Strafe gestellt werden:
Beispiel 1:
Facharzt
A ist Vermieter eines Ärztehauses mit eigener Praxis im Erdgeschoss. Facharzt
A schließt mit Hausarzt B einen Mietvertrag über Praxisräumlichkeiten in
besagtem Ärztehaus. Hausarzt B wird für die Anmietung eine Miete von 5 Euro pro
Quadratmeter zugesagt, der ortsübliche Mietzins liegt jedoch bei 12 Euro pro
Quadratmeter. Die Vermietung der Räumlichkeiten durch Facharzt A an Hausarzt B
zu diesem günstigen Mietpreis erfolgt in der Erwartung seitens Facharzt A, dass
Hausarzt B seine Patienten dazu motiviert, facharztliche Leistungen nur bei
Facharzt A in Anspruch zu nehmen. Die vorgenannte Abstimmung erfolgt
vorliegend im Rahmen einer Unrechtsveieinbarung zwischen Facharzt A und
Hausarzt B, welche Hausarzt B in seiner medizinischen Entscheidungsfreiheit
unzulässig beeinflusst. Im vorliegenden Fall macht sich Facharzt A gemäß § 299b
StG B sowie Hausarzt B gemäß § 299a StGB strafbar.
Beispiel 2:
Hausarzt A
überweist seine Patienten zielgerichtet an
Facharzt B und erhält hierfür von Facharzt B je zugewiesenem
Patienten eine "Kopfpauschale" in Höhe von 100 Euro. Im vorliegenden
Fall ist wiederum die
medizinische Entscheidungsfreiheit von Hausarzt A durch die mit Facharzt
B
geschlossene Unrechtsvereinbarung unzulässig beeinflusst. Facharzt A
macht sich
gemäß § 299b StGB sowie Hausarzt B gemäß § 299a StGB strafbar.
Wohlgemerkt ist
es Hausarzt A bereits nach den berufsrechtlichen Vorgaben nicht
erlaubt, seinen
Patienten einen bestimmten Facharzt zu empfehlen, da dieses Vorgehen
gegen das
in den Landesberufsordnungen enthaltene "Verweisungsverbot" verstößt.
Beispiel 3:
Facharzt
A als Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie empfiehlt seinen
Patienten
das verordnete Hilfsmittel bei der Sanitatshaus-GmbH B zu kaufen.
Facharzt A
ist Mitgesellschafter der Sanitatshaus-GmbH B und nach
den gesellschaftsvertraglichen Regelungen in dem Umfang am Gewinn der
Gesellschaft beteiligt, in dem Facharzt A durch seine Zuweisung von
Patienten an
die Sanitatshaus-GmbH B Einnahmen erwirtschaftet. Im vorliegenden
Fall liegt
wiederum eine Konstellation vo r, in der Facharzt A einen
unzulassigen wirtschaftlichen Vorteil für die Zuführung von Patienten
und Untersuchungsmaterial erhalt, was zu einer Strafbarkeit im
Sinne des § 299a StGB führt.
Beispiel
4:
Ein Mitarbeiter des
Pharmaunternehmens A schlägt Hausarzt B vor, dessen anstehendes Praxisjubiläum
durch das Pharmaunternehmen A zu sponsern, welches sämtliche Kosten der
Feierlichkeiten übernimmt. Die Zusage erfolgt in der Erwartung, dass Hausarzt B
bei zukünftigen Verordnungen schwerpunktmäßig Arzneimittel und Medizinprodukte
von Pharmaunternehmen A bezieht. Auch hier erfolgt ein unzulässiges
Zusammenwirken zwischen dem zuständigen Mitarbeiter von Pharmaunternehmen A
und dem Hausarzt B, die Hausarzt B in seiner medizinischen Entscheidungsfreiheit
beeinträchtigt. Der zuständige Mitarbeiter von Pharmaunternehmen A macht sich
hier nach § 299b StGB, Hausarzt B nach § 299a StGB strafbar.
Korruption ist Offizialdelikt
Für die Einleitung eines Verfahrens bedarf es nach dem Willen des Gesetzgebers keiner Strafanzeige oder eines Strafantrages seitens eines Geschädigten. Die neuen Strafnormen stellen nämlich jeweils ein sogenanntes „Offizialdelikt“ dar, welches von den staatlichen Behörden ohne gesonderte Eingabe verfolgt werden kann.
Bei Einleitung eines Ermittlungsverfahrens seitens der zuständigen Staatsanwaltschaft gegen einen verdächtigen Leistungserbringer setzt die Staatsanwaltschaft gemäß den gesetzlichen Vorgaben automatisch auch die zuständige Ärztekammer und die Kassenärztliche Vereinigung über das eingeleitete Verfahren in Kenntnis. Da bei Verstößen gegen das Antikorruptioasgesetz zugleich stets ein sogenannter „direkter Berufsbezug" besteht, drohen neben einer strafrechtlichen Sanktionierung zugleich berufsrechtliche Konsequenzen, die schlimmstenfalls zu einem Entzug der vertragsärztlichen Zulassung sowie der ärztlichen Approbation führen können. Strafrechtlich können hohe Geldstrafen oder Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren verhängt werden, in besonders schweren Fällen gemäß § 300 StGB sogar Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren.
Fazit
Die Kooperationsmöglichkeiten zwischen einzelnen Leistungserbringern sind mannigfaltig und die damit zusammenhängenden Fragestellungen zumeist für den juristischen Laien kaum durchschaubar. Daher bietet es sich an, vor Gründung einer beabsichtigten Zusammenarbeit einen fachkundigen Rechtsberater heranzuziehen. So realisieren Betroffene Kooperationen, die mit dem neuen Antikorruptionsgesetz nicht in Konflikt geraten.