04.2017

Augen auf beim Einsatz von Fremdpersonal

Mit Stichtag 1. April 2017 gelten bei der Vermittlung von Leiharbeitern und Selbstständigen verschärfte Vorgaben. Unternehmen sollten die gesetzlichen Neuerungen genau kennen, um nicht in arbeitsrechtliche Stolperfallen zu geraten.

In vielen Firmen ist der Einsatz von Fremdper­sonal nicht mehr wegzudenken. So gewinnen Unternehmen Flexibilität und reduzieren Fixkosten. Das reformierte Arbeitnehmerüber­lassungsgesetz (AÜG) macht das Thema zur Chefsache. Zum einen erschwert das neue AÜG den Einsatz von Leiharbeitern erheb­lich. Zum anderen erhöht es die Gefahr von Scheinselbstständigkeit. Firmen sollten bestehende Verträge rund um Fremdpersonal kritisch prüfen und neue mit Weitblick ausgestalten. So können Unternehmen externe Kräfte trotz der verschärf­ten Vorgaben bedenkenlos einsetzen.

Das neue Gesetz soll missbräuchlichen Praktiken beim Einsatz von Fremdpersonal einen Riegel vorschieben. Es regelt sowohl die Arbeitnehmerüberlassung als auch die Vermittlung und den Einsatz von Selbstständigen. Ein zentraler Aspekt ist die Neuregelung der Einsatzzei­ten von Leiharbeitern. Im alten AÜG war nicht klar geregelt, wie lange eine Überlassung höchstens erfolgen darf. Künftig ist die Höchstdauer auf 18 Monate limitiert. Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen lassen abwei­chend davon eine Einsatzdauer von maximal 24 Monaten zu. Zeiträume vor dem 1. April 2017 bleiben außen vor. Personalverantwortliche sollten sich vorsichtshalber den 22. September 2018 im Kalender rot anstreichen. Dann endet bei laufenden Kontrakten erstmalig die Höchstüberlassungsdauer. Soll ein Zeitarbeiter im Anschluss im selben Unternehmen erneut zum Einsatz kommen, ist eine Unter­brechung von mehr als drei Monaten vorgeschrieben.

Werden die Zeitvorgaben nicht eingehalten, wird aus einem Leiharbeiter automatisch ein soziaIversicherungspflichtiger Arbeitnehmer mit Urlaubsanspruch und Kündigungsschutz. Übersehen Unternehmen den Arbatnehmerstatus, drohen neben hohen Lohnsteuer- und Sozialversicherungsnachzahlungen zusätzlich strafrechtliche Konsequenzen. Auch bei der Entlohnung von Zeitarbei­tern müssen Entleiher aufpassen. Leiharbeitern steht spä­testens nach neun Monaten das gleiche Gehalt ("Equal Pay") wie dem Stammpersonal zu. Tarifliche Sonderregelungen ermöglichen eine Einsatzzeit von bis zu 15 Mona­ten ohne Equal Pay. Dazu muss der Entleiher dem Verlei­her mitteilen, in welcher Höhe das vergleichbare Arbeitsentgelt zu veranschlagen ist. Bei Verstößen gegen das Equal-Pay-Gebot droht dem Verleiher ein Bußgeld, das in der Spitze 500.000 Euro betragen kann. Die Berechnung und Mitteilung des vergleichbaren Arbeitsentgeltes erfordert erhöhte Sorgfalt. Bei Fehlern kann das Zeitarbeitsun­ternehmen Bußgelder beim Entleiher einklagen.

Für die Gestaltung eines Arbeitnehmer-Überlassungsvertrags (AÜV) gelten verschärfte Regeln. Der veranbarte AÜV muss eindeutig als solcher bezeichnet und noch vor Arbeitsbeginn des Zeitarbeiters unter Dach und Fach sein. Im Vertrag darf der Name des Leiharbeiters sowie die Unterschrift des Ver- und Entleihers nicht fehlen. Bei Verstößen gegen die sogenannte "Kennzeichnungs- und Konkretisierungspflicht" kann die Arbeitsagentur gegen beiden Parteien ein Bußgeld in Höhe von bis zu 30.000 Euro verhängen. Darüber hinaus verliert der Überlas­sungsvertrag gegebenenfalls seine Gültigkeit und der Zeitarbeiter wird zum sozialversicherungspflichtigen An­gestellten des Entleihers.

Grundsätzlich bleibt ein Ausweg. Falls zwischen Entleiher und Zeitarbeiter unbeabsichtigt ein Arbeitsverhältnis ent­steht, eröffnet das neue AÜG eine arbeitgeberfreundliche Lösung. Der frisch gebackene Arbeitnehmer kann inner­halb eines Monats erklären, dass er am Arbeitsvertrag mit dem Verleiher festhält (sogenannte „Festhaltenserklärung"). So vermeiden Mitarbeiter, dass sie sich wider Willen in der Rolle eines ungewollten Arbeitnehmers wiederfinden. Der Leiharbeitnehmer muss sich die Erklä­rung persönlich bei der Arbeitsagentur bestätigen lassen und spätestens drei Tage später beim Ver- oder Entleiher vorlegen. Firmen sollten nach einer erfolgten Festhaltens­erklärung von einer Weiterführung der Überlassung absehen. Eine erneute Festhaltenserklärung wäre in jedem Fall unwirksam.

Auch beim Einsatz von Freelancern über Vermittlungs­agenturen ist erhöhte Vorsicht geboten. Die Beschäfti­gung erfolgt auf der Grundlage eines Werk- oder Dienst­vertrages zwichen dem Selbstständigen und dem Einsatz­unternehmen. Die Crux: Wenn Freelancer etwa über Zeit, Ort und Art ihrer Tätigkat nicht frei entscheiden können, besteht eine Scheinselbstständigkeit. Bisher konnten Ver­mittler im Rahmen der sogenannten „Fallschirmlösung" sich und ihre Auftraggeber vor negativen Konsequen­zen schützen. Dafür sorgte eine vorsorglich beantragte Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis. Der Dienstleister konnte so eine Scheinselbstständigkeit nachträglich zur rechtmäßigen Leiharbeit umdeklarieren. Damit ist jetzt Schluss. Das neue Gesetz schließt die Fallschirmlösung grundsätzlich aus. Der Rechtmäßigkeit bestehender und künftiger Verträge kommt damit eine enorme Bedeutung zu. Die tatsächliche Beurteilung der Beschäftigungsform hängt oft vom Kleingedruckten ab. Firmen sollten bestehende Verträge und die gelebte Einsatzpraxis kritisch unter die Lupe nehmen und gegebenenfalls nachjustieren.

Quelle: Dentalspiegel

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Rebekka De Conno
Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht
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